Die zunehmende Urbanisierung, der Klimawandel und der Wandel des Einzelhandels stellen auch die Stadt Aachen vor große Herausforderungen. Die Verkehrsbelastung führt nicht nur zu Staus, Luftverschmutzung und Lärmbelastung, sondern wirkt sich auch negativ auf die Aufenthaltsqualität in der Stadt und die Vitalität des Einzelhandels aus. Vor diesem Hintergrund hat der Rat der Stadt Aachen am 13.12.2023 mehrheitlich das Gesamtkonzept „Innenstadtmobilität für morgen“ beschlossen. Ein Teil dieses Konzeptes ist die Einführung von sogenannten Lenkungspunkten auf dem Grabenring, mit dem Ziel, den Durchgangsverkehr aus der Innenstadt fernzuhalten, die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu verbessern und die CO₂-Emissionen zu verringern. Mit diesem Faktencheck sollen einige Behauptungen zum Thema „Schleifenlösung“ genauer beleuchtet werden.


Behauptung 1:

Durch die Schleifenlösung steigen die CO₂-Emissionen


Fakten:

  • Der Verkehrssektor trägt erheblich zu den CO₂-Emissionen in Städten bei. Laut Umweltbundesamt entfielen im Jahr 2022 rund 20 % der deutschen CO₂-Emissionen auf den Verkehr, wovon wiederum der größte Teil durch den motorisierten Individualverkehr verursacht wird (Umweltbundesamt, 2023).
  • Die Einführung von Lenkungspunkten trägt dazu bei, unnötigen innerstädtischen Kfz Verkehr zu reduzieren, was sich positiv auf die Emissionsbilanz auswirkt. Untersuchungen in europäischen Modellstädten zeigen, dass gezielte Verkehrslenkung, insbesondere in Verbindung mit Infrastruktur für den Rad- und Fußverkehr sowie den ÖPNV, zu einem deutlichen Rückgang der verkehrsbedingten Treibhausgase führt. So konnte in Barcelona der Ausstoß von Treibhausgasen um über 30 % reduziert werden. In Gent sank mit der Einführung der Lenkungspunkte der Durchgangsverkehr um 60 % und dementsprechend die CO₂-Emissionen (Difu 2023).
  • Mit der Schleifenlösung innerhalb des Alleenrings ändern sich die Routen zu einigen Zielen. Diese sind zum Teil länger als die bisherigen Routen. Würde sich die Zahl der mit dem Auto zurückgelegten Fahrten dabei nicht verringern, würde dies in der Summe zu einer Zunahme der im Autoverkehr zurückgelegten Entfernungen führen. In den vorgenannten Beispielen führte die geänderte Verkehrslenkung des Autoverkehrs gleichzeitig zu einer Verbesserung für ÖPNV, Fuß- und Radverkehr, sodass der Anteil der Autofahrten nach einer Eingewöhnungszeit insgesamt sank. Diese Wirkung überkompensierte die teilweise längeren Wegestrecken im Autoverkehr, mit dem Ergebnis einer insgesamt geringeren Autoverkehrs- und CO₂ Belastung. Ob sich dieser Effekt für Aachen bestätigen lässt, kann erst nach einer Zeit der Eingewöhnung durch erneute Verkehrsuntersuchungen geprüft werden.

Behauptung 2:

Die Schleifenlösung diskriminiert Autofahrer*innen.


Fakten:

  • In ihrem Mobilitätskonzept hebt die Stadt Aachen hervor, dass eine Erreichbarkeit der Innenstadt auch für den motorisierten Individualverkehr gewährleistet werden muss, etwa durch digitale Parkleitsysteme, eine ausreichende Zahl von Parkplätzen und Lieferzonen, aber auch durch attraktive Alternativen zum Auto (Stadt Aachen, 2020).
  • Die Schleifenlösung sorgt dafür, dass die Innenstadt von allen Seiten weiterhin für den Autoverkehr erreichbar ist. Allerdings werden die Verkehrsströme nun so gelenkt, dass die Ausfahrt aus der Innenstadt in dem Bereich stattfinden muss, in dem auch die Einfahrt erfolgt ist. Verhindert werden soll jedoch die Durchfahrt durch die Innenstadt.

Behauptung 3:

Die Schleifenlösung schadet dem Einzelhandel, der Kunden und Umsatz verliert


Fakten:

  • Der stationäre Einzelhandel ist ein zentraler Akteur in der Innenstadt. Häufig wird befürchtet, dass Zugangsbeschränkungen den Handel beeinträchtigen könnten. Allerdings zeigen zahlreiche Städte, wie z.B. Gent, dass eine gezielte Verkehrslenkung im Gegenteil zu einer Stärkung des Einzelhandels führen kann (Rupprecht Consult, 2023).
  • Eine bessere Aufenthaltsqualität, attraktivere Plätze und eine gesteigerte Fußgängerfrequenz schaffen ein positives Umfeld für den Einzelhandel. In Gent stiegen nach der Einführung des Verkehrslenkungssystems die Umsätze der Geschäfte und die Zahl der Besucher*innen (Rupprecht Consult, 2023).

Behauptung 4:

Die Schleifenlösung trägt nicht zur Lösung der Verkehrsprobleme in Aachen bei.


Fakten:

  • Lenkungspunkte, an denen der Zugang zum innerstädtischen Bereich gesteuert oder eingeschränkt wird, sind ein wirksames Mittel, um den Autoverkehr gezielt zu lenken und nicht notwendigen Durchgangsverkehr zu vermeiden (Rupprecht Consult, 2023).
  • Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) können solche Maßnahmen den Durchgangsverkehr um bis zu 60 % senken, indem sie nur noch berechtigten Gruppen – etwa Anwohner*innen, Lieferverkehr oder bestimmte Besuchergruppen – Zufahrt gewähren (Difu, 2023). Städte wie Gent (Belgien) zeigen, dass durch ein System aus Lenkungspunkten und einer ringförmigen Umfahrung die Verkehrsbelastung im Zentrum drastisch reduziert werden kann (Difu, 2023).

Fazit:

Die Einführung von Lenkungspunkten im Stadtverkehr ist ein wirksames Instrument, um
Innenstädte von übermäßigem Autoverkehr zu entlasten, CO₂-Emissionen zu senken und
die Aufenthaltsqualität zu erhöhen – ohne den stationären Einzelhandel zu gefährden. Die
Erfahrungen europäischer Städte und die Planungen der Stadt Aachen zeigen, dass
Lenkungspunkte ein zukunftsweisender Baustein eines ganzheitlichen Mobilitätskonzepts
sind. Ob die Schleifenlösung in Aachen diese Ziele erfüllt, ist nach einer Eingewöhnungszeit
durch erneute Verkehrsuntersuchungen zu prüfen.

Quellen: