Reggae, Räder und rasant gefüllte Unterschriften­listen

11. Mai 2019

Am Vormittag regnete es die berüchtigten Bindfäden. Kein Wetter, um frohgelaunt den Fahrradsattel zu besteigen. Doch kurz bevor sich dessen ungeachtet eine große Gruppe Radler*innen am Frankenberger Park gemeinschaftlich Richtung Aachener Markt in Bewegung setzte, lugte plötzlich die strahlende Frühlingssonne zwischen den Wolken hervor. Was für ein schönes und positives Omen für unsere Radentscheid-Initiative: Die äußeren Bedingungen und damit auch die Stimmung hellten sich deutlich auf – pünktlich zu jenem Moment, an dem vor dem Rathaus die ersten Unterschriften für das Bürgerbegehren gesammelt wurden mit dem Ziel einer neuen Verkehrsinfrastruktur. Diese soll es Radfahrenden ermöglichen, überall in Aachen bequem und vor allem sicher unterwegs zu sein.

Wir sind überwältigt vom großen Zuspruch, den wir seit Wochen bekommen. Es wirkt so, als sei nach Jahren des weitgehenden Stillstands einer konsequenten und auch erkennbaren Förderung des Radverkehrs und nach verständlicher Frustration über wirklich unzählige Gefahrenstellen plötzlich spürbar Bewegung in die Sache gekommen. Alle reden von den schlechten Bedingungen für die schwächeren Verkehrsteilnehmenden, die Zeitungen machen die Missstände an Kreuzungen und Radwegen zum Dauerthema, und es melden sich eine Vielzahl von Menschen als Befürwortende des Radentscheids zu Wort, bei manchen von denen man es vielleicht gar nicht erwartet hätte. Sogar überzeugte Autofahrer*innen sind dabei, denn auch sie wollen eine Stadt, die wieder lebenswerter ist, bessere Luft bietet und sie auch nicht dem Risiko aussetzt, Radfahrende zu übersehen, Stichwort „Toter Winkel“.

So sind denn an diesem Samstagmittag die Unterschriftsbögen für den Radentscheid schnell knapp, Flyer, Aufkleber, Buttons und bunte T-Shirts finden enorme Resonanz, und es stellt sich rasch das Gefühl ein, dass es kein wirkliches Problem sein sollte, in Aachen weit mehr als die notwendigen 8000 Unterschriften für den Erfolg des Bürgerbegehrens zusammenzubekommen. Eine deutlich höhere Zahl scheint keine Utopie zu sein. Das wäre dann ein echt starkes Signal, dem sich der Stadtrat nicht ernsthaft würde verweigern können. Bis dahin allerdings muss noch fleißig mobilisiert werden, was die ehrenamtlich Engagierten mit ansteckender Leidenschaft und erstaunlicher Zähigkeit derzeit tun. Und immer mehr Menschen bekennen in Testimonials Farbe für den Radentscheid – im Internet, aber auch hier mutig auf der Bühne am Aachener Markt: Eltern, die ihren Kindern einen gefahrlosen Alltag bieten wollen, Menschen, die offen zugeben, dass ihnen als Radfahrenden die Verkehrssituation an vielen Stellen der Stadt Angst macht.

Es ist Zeit für einen der Zukunft zugewandten Neuanfang, für eine Stadtentwicklung, in der alle miteinander rücksichtsvoll und partnerschaftlich ein lebenswerteres Umfeld schaffen. Der Blick zu den niederländischen Nachbarn mit ihrer vorbildlichen Fahrradinfrastruktur zeigt, dass das gar nicht so schwer ist. Aachen, worauf wartest du noch?

(rag)